Walter Dahn

 

STEFAN BOHNENBERGER UND WALTER DAHN IM GESPRÄCH

Köln, 29.10.1990,

Wohnung Stefan Bohnenberger, abends

[…]

D: Ich hab' Schwierigkeiten mit solchen Einschätzungen oder Selbsteinschätzungen. Ich habe große Schwierigkeiten damit, zur Zeit. Ist ja nicht das erste Mal!

B: Ein tiefes Wissen weiß, aber wie oft weiß man nicht?

D: Ja, klar, ich spüre viel, ich spüre, daß das, was ich tue, seit Mitte der 80er Jahre, die Abwendung von der sogenannten ,wilden Malerei", ein richtiger Schritt war! Ich hätte nicht wie andere „ein-fach weitermachen" können und diesen sogenannten Neoexpressionismus ein bißchen vervollkommnen im Sinne des geschickten Händchens und dann statt Dispersionsfarbe eben Ölfarbe nehmen und statt ein Bild 1 x 1 zu malen eben 3 x 3 usw. Das ist etwas, was viele weiter gemacht haben, die mit uns so rauskatapultiert wurden aus dieser Einheitssoße Ende der 70er Jahre. Daß das zunächst richtig war und es da für mich auch keinen Weg zurück gibt, ist klar. Auch wenn heute oft Leute kommen, die sagen: jetzt mal' doch mal wieder, Du kannst es doch... Heute! Damals haben sie geschimpft wie die Kes-selflicker, heute kommen sie und sagen: jetzt mal' doch bitte wieder so wie früher, das war so kräftig und so lustig und so blablabla. Ich will die Argumente gar nicht nennen, ich kann sie auch zum Teil gar nicht nachvollziehen! Ich weiß nur eines ganz sicher: es gibt keinen Weg zurück! Wenn es einen Weg zurück gibt, dann nur auf einer höheren Ebene, und der geht dann weiter zurück, der geht in die Zeit des Studiums!

Aber auf einer höheren - ich kann nur hoffen -, auf einer höheren Ebene. Ohne die Erfahrung mit der „wilden Malerei", ohne die tägliche Aus-einandersetzung, ohne die Widerstände, auch ohne all die Fehler, die wirklich gemacht wurden, könnte ich das, was ich heute tue, ja gar nicht machen! Also, ich hab da - wie nennt man das? - keine Schuldgefühle, nichts! Aber ich weiß, daß mein Weg also zunächst mal (man soll nie nie sa-gen) unumkehrbar ist. Ich weiß, daß ich all dies Schritt für Schritt tun muß, daß da kein Schritt ausgelassen werden darf! Ich kann nicht einfach von heute auf morgen sagen: Okay, jetzt versuch ich mal mit ein bißchen mehr Erfahrung und vielleicht intelligenteren Mitteln wieder da anzu-setzen, wo ich bei Beuys irgendwann Mitte der 70er Jahre aufgehört habe... Ich spürte eine Notwendigkeit, die Dinge immer weiter im Bild selber, das Bild immer weiter zu klären und auch zu leeren oder entleeren, um in einen anderen Bereich zu kommen, der fast schon - sagen wir mal

- der „abstrakten Malerei" zuzurechnen ist, wo ich mir dann sagte: „So, wenn ich jetzt überhaupt noch Bilder machen will, dann muß ich eigentlich aufhören zu malen.'

« Ich will ja nicht aufhören, Bilder in die Welt zu setzen. Aber meine Möglichkeit kann nicht sein, die Punk-Ausgabe von Georg Baselitz zu sein oder so was! Ich muß da ansetzen, wo ich wirklich viel, viel mehr betroffen bin!

B: Du sagst, Du willst wieder zurückgehen in die Akademiezeit..

D: Nein, ich möchte wieder anknüpfen an einen bestimmten früheren Weg. Die Dinge, die ich heute tue, haben ja wirklich nichts mehr zu tun mit dem - das läßt sich auch belegen anhand von älteren Arbeiten, das könnte man zeigen -, was ich damals an der Akademie getan hab, als alle „wilde Malerei". Diese Ablehnung, also dieses Vater-Sohn-Motiv, das ergab sich Anfang der 80er Jahre. Da gab es eine Phase, wo ich Beuys wirklich - ich will nicht sagen: abgelehnt hab'-aber wo ich gesagt hab', ich will davon gar nichts mehr wissen!

B: Aber dadurch ist er nicht gestorben.

D: Dadurch ist er nicht gestorben, im Gegenteil! 

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